München/Pforzheim, 21.02.2025. Deutschland steckt im dritten Jahr einer anhaltenden Rezession, die Wirtschaft ist im letzten Jahr erneut um 0,3 % geschrumpft. Die globalen Krisen der vergangenen Jahre haben die industrie- und exportorientierte Volkswirtschaft Deutschlands stark getroffen. Zwar konnte die Energiekrise in Teilen entschärft und die Inflation eingedämmt werden. Auch sind wieder spürbare Reallohnzuwächse zu verzeichnen, sodass die Menschen mehr Geld im Portemonnaie haben. Dennoch ist die Verbraucherstimmung schlecht, die Aussichten für den Einzelhandel sind gedämpft, auch die schwache Investitionstätigkeit hinterlässt ihre Spuren. Zusätzlich drücken aktuell die derzeitige Unsicherheit hinsichtlich der US-Wirtschafts- und Handelspolitik sowie die Unklarheit über den künftigen wirtschafts- und finanzpolitischen Kurs im Vorfeld der anstehenden Bundestagswahl auf die Investitions- und Konsumfreude.
Bezogen auf die Unternehmen der Schmuck- und Uhrenindustrie machen insbesondere die Konsumflaute in wichtigen internationalen Märkten, die Inflation, ein hohes Lohnniveau und ganz besonders der hohe Goldpreis zu schaffen. Für das Geschäftsjahr 2024 kann man die Branche noch mit der tendenziellen Entwicklung umgehen, da die Jahre 2022 und 2023 einen Ertrag auf hohem Niveau gebracht haben. Dennoch hat sich die Stimmung im Verlauf des Jahres 2024 eingetrübt, auch wenn die statistischen Zahlen diese tatsächliche Situation nur in Teilen wiedergeben.
Das Jahr 2024 in Zahlen
Pünktlich zur Inhorgenta veröffentlichte das statistische Bundesamt am 19. Februar die von ihm erhobenen vorläufigen Zahlen. In Euro gemessen stieg der Export der deutschen Uhrenindustrie mit ca. 1,872 Milliarden Euro um 3,53 % gegenüber den Zahlen von 2023 (1,809 Milliarden Euro). Der Wert beinhaltet Kleinuhren, Großuhren, Uhrwerke und Uhrenteile von sämtlichen Betrieben der Branche, die eine jährliche Berichtsgrenze von 500.000 Euro übersteigen. Der Import von Uhren stieg um 0,7 % von 2,531 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf 2,548 Milliarden Euro im Jahr 2024.
Betrachtet man die Exporte und Importe im Jahr 2024 quartalsweise, so zeigt sich, dass die Exporte bei den Uhren in jedem Quartal leicht über dem Vorjahr lagen, die Importe lagen im dritten Quartal deutlich über dem Vorjahr, die restlichen Quartale lagen unter denen des Vorjahres.
Der Export der Produzenten von Schmuck, Gold- und Silberschmiedewaren fiel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,4 % von ca. 5,312 Milliarden Euro auf 5,134 Milliarden Euro. Auch hier gilt die Berichtsgrenze von € 500.000, unabhängig von der individuellen Betriebsgröße, die Warengruppen beinhalten fertigen Schmuck, Halbzeuge für die Schmuckverarbeitung und Edelsteine. Der Import von Schmuck, Gold- und Silberschmiedewaren fiel um 2,8 % von 4,736 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf 4,604 Milliarden Euro im Jahr 2024.
Auch beim Schmuck bringt der Blick auf die Exporte und Importe in den einzelnen Quartalen ein differenziertes Bild. Im Export lieferten die ersten beiden Quartale ein deutlich negatives Ergebnis gegenüber dem Vorjahr, im zweiten Halbjahr drehte sich das Bild zum Positiven, beide Quartale lagen über dem Vorjahr.
Beim Import von Schmuck lagen die ersten drei Quartale des Jahres 2024 deutlich unterhalb der Vorjahreszahlen. Im vierten Quartal stieg der Import in Euro gemessen deutlich an und übertraf das vierte Quartal des Jahres 2023 deutlich.
Insgesamt zeigen die Zahlen des Jahres 2024 eindeutig, dass die Ergebnisse besser ausgefallen sind als die Stimmung innerhalb der Branche dies wiedergegeben hat. Insbesondere bei den nur leicht gegenüber dem Vorjahr zurückgegangenen Zahlen für Schmuck muss man jedoch in Betracht ziehen, dass ein im Laufe des Jahres um mehr als 30 % gestiegener Goldpreis die Ergebnisse in Euro deutlich schöner aussehen lässt, als dies der Fall wäre, wenn die Umsätze noch mit Goldpreisen des Jahres 2023 getätigt worden wären. Anders ausgedrückt: die Zahlen sind relativ stabil geblieben, obwohl deutlich weniger Schmuck in Stück gerechnet verkauft wurde. Der Effekt ist zum Teil auch auf die Uhrenbranche übertragbar, in der es durch Kostensteigerungen bei den Rohstoffen innerhalb der letzten Jahre zu deutlichen Preisanpassungen kam. Auch hier kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass relativ stabile Eurobeträge auf gesunkene Stückzahlen hindeuten.
Für die Bewertung der wirtschaftlichen Situation ist für den BVSU auch die halbjährliche, interne Befragung der Mitgliedsunternehmen von wichtiger Aussagekraft. So zeigt sich u.a., dass rund 34 % der kleineren Mitgliedsfirmen von einem Umsatzrückgang von mehr als 10 % gegenüber dem Vorjahr berichten, mehr als 44 % von einem zwischen 5-10 % liegenden Umsatzrückgang. Weitere 22 % hatten eine Umsatzsteigerung von 5 bis 10 %, kein Unternehmen berichtet von 10 % oder mehr Umsatzsteigerung. Als Gründe für diese sehr volatile Gesamtaussage führen 23 % den Verlust oder Zugewinn wichtiger Märkte an, ebenfalls 23 % die hohen Edelmetallkurse und ca. 54 % andere Gründe. Bei der Umsatzerwartung für das Jahr 2025 rechnen 44 % der Kleinbetriebe mit gleichbleibenden Zahlen, 33 % rechnen mit einer ungünstigeren Umsatzentwicklung im Jahr 2025, 22% mit einer günstigen Entwicklung.
Etwas anders sieht die Auswertung bei den Betrieben über 20 Mitarbeitern aus. Hier vermelden rund 25 % der Unternehmen für 2024 einen Umsatzrückgang von mehr als 10 %, 37,5 % melden einen Umsatzzuwachs von 5 bis 10 %, bei 12,5 % blieb es gleich, 25 % vermelden einen Umsatzrückgang von 5-10 %. Auch bei den größeren Unternehmen meldete keines einen Umsatzzuwachs von mehr als 10 %. Was die Umsatzerwartungen im Jahr 2025 anbelangt, so rechnen die größeren Firmen zu 50 % mit einer günstigeren Entwicklung, 50 % mit einer gleichbleibenden Tendenz, kein Unternehmen erwartet ein schlechteres Ergebnis als 2024.
Sanktionen verursachen Chaos im Diamanthandel
Die Schmuckindustrie in Deutschland unterstützt die allgemeine Entscheidung über Sanktionen gegen russische Diamanten, die Anfang 2024 in Kraft getreten sind. Jedoch erfolgt die Unterstützung nicht uneingeschränkt, insbesondere nicht in Bezug auf Regelungen, deren Auswirkungen für zahlreiche globale Akteure, insbesondere für KMU, verheerend sind oder ausschließlich dafür konstruiert wurden, belgische Unternehmen zu protegieren. Die Entscheidung, Sanktionen gegen russische Diamanten zu verhängen, stellt ein klassisches Beispiel für politische Maßnahmen dar, die ohne vollständige Analyse und gründliches Verständnis der Situation getroffen wurden.
Ursprünglich waren die Sanktionen gegen russische Diamanten bereits im März 2022 in allen G7-Ländern geplant, jedoch wurden sie erst im Januar 2024 umgesetzt. Bis dahin lief der Import von Diamanten aus Russland nach Europa, insbesondere nach Antwerpen, wie gewohnt weiter. Auf Druck der belgischen Regierung hatte sich der Europäische Rat darauf geeinigt, die Sanktionen erst zu verhängen, wenn ein neues Kontrollzentrum für Rohdiamanten in Antwerpen eingerichtet wäre. Belgien schlug vor alle Diamanten, die für den Handel in den G7-Ländern bestimmt waren, nach Antwerpen umzuleiten, um deren Herkunft zu überprüfen und als nicht russisch zu kennzeichnen. Dieser Prozess sollte unter Nutzung von Technologien erfolgen, die noch nicht ausgereift waren. Dennoch stimmten die G7-Staaten diesem Plan zu.
Diese Entscheidung löste weltweit Verwunderung aus, besonders in den Diamanten produzierenden Ländern, die sich gegen das G7-Diktat wehrten. Auch Diamantenhändler in den G7-Staaten protestierten gegen die hohen Zusatzkosten, die durch das vorgeschlagene System entstehen würden.
In Reaktion auf die breite Kritik und nach viel zu spät arrangierten Konsultationen mit Vertretern der Diamantindustrie stimmte der G7-Expertenausschuss schließlich zu, Teile des Plans zu überarbeiten. Das Einfuhrverbot für russische Diamanten bleibt zwar bestehen, jedoch wurden viele der ursprünglich geplanten Beschränkungen aufgehoben oder verschoben. Die Anerkennung von Antwerpen als alleinige Dokumentationsstelle für Diamanten wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Zudem wurde in einigen Staaten anerkannt, dass russische Diamanten, die in Drittstaaten geschliffen wurden, gemäß den Ursprungsregeln der Welthandelsorganisation, als Diamanten dieses Landes gelten können. Das Importverbot für russische synthetische Diamanten wurde teilweise fallengelassen. Die Zertifizierung von bereits im Umlauf befindlichen Diamanten vor Inkrafttreten der Sanktionen wurde komplett unkoordiniert umgesetzt. Jede G7-Region hat unterschiedliche Anforderungen zur Regulierung des Handels veröffentlicht, was zu weiteren Problemen führt.
Ausblick auf 2025: Ärmel hochkrempeln, Hausaufgaben machen
Die Bewertung des Ausblicks auf 2025 fällt vor dem Hintergrund der unsteten Situation vorsichtig aus. Deutschland und auch die Schmuck- und Uhrenbranche verfügen weiterhin über große Stärken – dazu zählen die vielseitige Unternehmenslandschaft, unsere Innovationskraft, sowie unsere Offenheit für den Handel mit und für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland. Dies bietet eine solide Grundlage für eine neue wirtschaftliche Dynamik. Die Wirtschaftsakteure sind gut beraten, die Ärmel hochzukrempeln und nach vorne zu schauen.
Für die kommenden Jahre wird es jedoch entscheidend sein, dass wichtige Märkte wie die in den USA, China und Hong Kong wieder anziehen. Aber auch die deutsche und europäische Politik muss endlich beginnen, ihre Hausaufgaben zu machen. Insbesondere ist ein entschlossener Abbau bürokratischer Hürden dringend erforderlich. Die oben beschriebenen Sanktionen gegen russische Diamanten dienen als gutes Beispiel für die dringend notwendigen Kursänderungen. Während die Industrie in Deutschland und den anderen G7-Staaten die Sanktionen und deren Umsetzung unterstützt, so scheitert das Verfahren an der sich selbst in Weg stehenden technischen Kommission der G7, die für die Maßnahmen zur Umsetzung zuständig ist. Insbesondere die fehlende Branchenkenntnis der betrauten Personen führt immer wieder in überbürokratisierte Sackgassen, die das System erschweren und den Unternehmen innerhalb der G7 viel mehr schaden als dem russischen Staat.
Auftakt in das Messejahr 2025: Inhorgenta Munich
Die deutsche Schmuck- und Uhrenbranche blickt trotz aller Unwägbarkeiten positiv in die Zukunft. Ein Anlass für positive Stimmung ist beispielsweise der heutige Startschuss für die deutsche Leitmesse der Branche, die Inhorgenta Munich 2025. Fachmessen sind und bleiben für unsere Branche unverzichtbar. Das 50-jährige Jubiläum der Messe im Jahr 2024 hat dies eindrucksvoll belegt. Die Vorfreude auf die heute beginnende 51. Ausgabe ist groß und wir erwarten eine erfolgreiche Veranstaltung für die Industrie und den Handel unserer Branche. Die Internationalisierung der Messe schreitet mit großen Schritten voran, die ausstellenden Firmen bieten einen perfekten Querschnitt der Branche und haben die neuesten Trends im Gepäck, das Rahmenprogramm der Inhorgenta bietet ein perfektes Umfeld für effizientes Networking.
Mehr Zahlenmaterial und Informationen: Ankündigung einer Studie für März 2025
Der BVSU wird voraussichtlich im März 2025 eine Studie veröffentlichen, welche dazu einlädt, die facettenreiche Welt der deutschen Schmuck- und Uhrenindustrie näher kennenzulernen. Mit detaillierten statistischen Zahlen bis zum Ende des Jahres 2024 wird ein tiefer Einblick in die Bedeutung der Branche, ihre Entwicklung und ihre Potenziale gegeben. Weitere Bestandteile der Studie sind ein Überblick über die regionalen Zentren der Schmuck- und Uhrenproduktion in Deutschland, über die wichtigsten Messen, Wirtschafts- und Fachverbände, die Fachpresse und die Ausbildungsmöglichkeiten in Handwerk und Industrie. Zentrales Element der Studie ist ein umfangreiches Branchenverzeichnis der Hersteller von Schmuck und Uhren, der Zulieferer und Dienstleister, Händler von Diamanten, Edelsteinen und Perlen, Unternehmen der Edelmetallbranche (Scheideanstalten, Recycler), Händler für synthetische Diamanten, Hersteller und Händler von Werkzeug und technischen Anlagen für die Branche, sowie Großhändler und Distributoren.