Der Bundesverband Schmuck, Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien (BVSU) präsentiert die ersten statistischen Gesamtzahlen für das Jahr 2022. Import und Export laufen immer noch stabil auf hohem Niveau, die prognostizierte Konsolidierung schickt ihre ersten Vorboten.
München/Pforzheim, 24.02.2023. Das Jahr 2022 war in vielerlei Hinsicht ein Wendepunkt. Insbesondere der Krieg in der Ukraine hat vermeintliche Gewissheiten in Frage gestellt. Auch in Deutschland sind die Auswirkungen des Krieges zu spüren. Russland hat Energie zur Waffe gemacht und die Gaslieferungen eingestellt. Die Energiepreise sind zum Teil um ein Vielfaches gestiegen.
Die Unternehmen der Schmuck- und Uhrenbranche haben dennoch ihre wirtschaftlichen Aktivitäten auch in diesem schweren Fahrwasser fortgesetzt und beachtliche Flexibilität bewiesen. Mit der Geschäftsentwicklung kann man auch nach dem vierten Quartal des Jahres 2022 sehr zufrieden sein. Die bereits vom Verband prognostizierte Konsolidierung ist jedoch in Teilen bereits im Bereich der Uhren erkennbar. „Insgesamt haben wir ein sehr gutes Jahr 2022 hinter uns, wir können sehr zufrieden sein“, sagt Dr. Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des BVSU. „Mit einem starken und durch Corona und Krieg so nicht unbedingt zu erwartenden Ergebnis blicken wir voller Zuversicht auf ein komplexes Jahr 2023, welches für unsere Branche nach wie vor große Chancen verspricht.“
Das Jahr 2022 in Zahlen
Mitte Februar veröffentlichte das statistische Bundesamt die von ihm erhobenen vorläufigen Zahlen. Der Export der deutschen Uhrenindustrie steigerte sich mit ca. € 1,691 Mrd. um 9,31 % gegenüber den Zahlen von 2021 (€ 1,547 Mrd.). Bei letzterem Wert ist zu berücksichtigen, dass sämtliche Betriebe der Branche unabhängig von ihrer Größe erfasst werden, wenn sie eine jährliche Berichtsgrenze von € 500.000 übersteigen. Der Import von Uhren steigerte sich um 11,85 % von € 2,195 Mrd. im Jahr 2021 auf € 2,455 Mrd. im Jahr 2022. Die Einfuhr von Uhrwerken steigerte sich um 13,33 % von € 30 auf € 34 Mio.
Betrachtet man die Exporte und Importe im Jahr 2022 quartalsweise, so zeigt sich, dass die Exporte bei den Uhren im vierten Quartal erstmals nicht mehr die Zahlen des Jahres 2021 übertreffen konnten und um ca. 5,2 % gegenüber dem 4. Quartal des Vorjahres sanken. Dennoch kann man weiterhin von einem sehr hohen und erfreulichen Niveau sprechen.
Abbildung 1: Exporte Uhren nach Quartal, Jahre 2019 bis 2022 (Quelle: Statistisches Bundesamt)
Bei den Importen von Uhrenprodukten nach Deutschland steigerte sich das Niveau auch im vierten Quartal um 2,9% auf rund € 682,5 Mio.
Abbildung 2: Importe Uhren nach Quartal, Jahre 2019 bis 2022 (Quelle: Statistisches Bundesamt)
Bei der Betrachtung der deutschen Uhrenhersteller ab 50 Beschäftigten zeichnet sich ein etwas nüchterneres Bild, welches es jedoch einzuordnen gilt. Demnach erzielten die in 2022 von 12 auf 10 zurückgegangenen deutschen Uhrenhersteller mit mehr als 50 Beschäftigten mit ca. € 294 Mio. einen um 11,79 % gesunkenen Umsatz im Vergleich zu den noch 12 Unternehmen in 2021 (€ 333 Mio.). Ebenso sank die Zahl der gezählten Beschäftigten von 2.101 in den zuvor 12 gezählten Unternehmen auf 1.896 in den nun 10 Unternehmen. Diese Zahlen sind aufgrund der zum jetzigen Zeitpunkt geringen Datenbasis natürlich nicht aussagekräftig in Bezug auf die gesamte Branche. Die für Juni erwarteten Zahlen aller Unternehmen ab 20 Beschäftigten werden hier ein deutlich genaueres Bild zeichnen.
Tabelle 1: Zahlen Uhren im Vergleich 2021 zu 2022 (Quelle: Statistisches Bundesamt)
Die mit 22 Unternehmen konstant gebliebene Anzahl von Produzenten von Schmuck, Gold- und Silberschmiedewaren mit mehr als 50 Beschäftigten verzeichneten 2022 mit ca. € 565 Mio. eine Umsatzsteigerung von 16,95 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum (€ 483 Mio.). Die Beschäftigtenzahl innerhalb der 22 Unternehmen steigerte sich von 2.723 im Jahr 2021 auf 2.869 im Jahr 2022 um 5,36 %.
Der Export der gesamten Branche stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 23,0 % von ca. € 2,443 Mrd. auf € 3,005 Mrd. Auch hier gilt die Berichtsgrenze von € 500.000, unabhängig von der individuellen Betriebsgröße. Wegen der Berichtsgrenze können die hier genannten Umsatzzahlen nicht den Gesamtexport wiedergeben. Der Import von Schmuckprodukten steigerte sich um 18,8 % von € 1,96 Mrd. im Jahr 2021 auf € 2,329 Mrd. im Jahr 2022.
Tabelle 2: Zahlen Schmuck im Vergleich 2021 zu 2022 (Quelle: Statistisches Bundesamt)
Auch beim Schmuck bringt der Blick auf die Exporte und Importe in den einzelnen Quartalen ein positives Resultat. Sowohl Exporte, als auch Importe stiegen in jedem Quartal deutlich gegenüber den bereits guten Zahlen des Jahres 2021.
Abbildung 3: Exporte Schmuck nach Quartal, Jahre 2019 bis 2022 (Quelle: Statistisches Bundesamt)
So stieg der Export von Schmuck auch im vierten Quartal um ca. 2,9 % auf ca. € 815,8 Mio. gegenüber einem bereits sehr guten vierten Quartal im Jahr 2021.
Abbildung 4: Importe Schmuck nach Quartal, Jahre 2019 bis 2022 (Quelle: Statistisches Bundesamt)
Und auch die Importe von Schmuckprodukten stiegen im durch das Weihnachtsgeschäft wichtigsten Quartal des Jahres um weitere 7,1 % im Vergleich zum Vorjahr auf € 691,6 Mio.
Da sich einige der oben genannten Zahlen ausschließlich auf Betriebe ab einer Größe von 50 Beschäftigten beziehen, ist für die Bewertung der wirtschaftlichen Situation für den BVSU auch die halbjährliche, interne Befragung der Mitgliedsunternehmen von wichtiger Aussagekraft, da ca. 60 % der Mitgliedsfirmen weniger als 20 Mitarbeiter aufweisen. So zeigt sich u.a., dass rund 20 % der kleineren Mitgliedsfirmen von einem Umsatzrückgang von mehr als 10 % gegenüber dem Vorjahr berichten, ebenso viele von einem zwischen 5-10 % liegenden Umsatzrückgang. Bei rund 35 % war der Umsatz gleich gegenüber dem Vorjahr, weitere 22 % hatten eine Umsatzsteigerung von 10 % oder mehr. Als Gründe für die Schwankungen führen 43 % den Verlust oder Zugewinn wichtiger Märkte an, 33 % die hohen Edelmetallkurse und 24 % andere Gründe wie die Pandemie im Allgemeinen und Probleme beim Versand von Ware als Faktoren. Bei der Umsatzerwartung für das Jahr 2023 rechnen 56 % der Kleinbetriebe mit gleichbleibenden Zahlen, 44 % rechnen mit einer ungünstigeren Umsatzentwicklung im Jahr 2023.
Etwas anders sieht die Auswertung bei den Betrieben über 20 Mitarbeitern aus. Hier vermelden 15 % der Unternehmen für 2022 einen Umsatzzuwachs von mehr als 10 %, rund 23 % melden einen Umsatzzuwachs von 5-10 %, bei 27 % blieb es gleich, rund 13 % vermelden einen Umsatzrückgang von 5-10 %, bei 18 % der Unternehmen war dieser im Bereich vom mehr als 10 % angesiedelt. Was die Umsatzerwartungen im Jahr 2023 anbelangt, so rechnen die größeren Firmen zu 25 % mit einer günstigeren Entwicklung, 50 % mit einer gleichbleibenden und 35 % mit einer ungünstigeren Tendenz.
Dass sich unabhängig von den Einteilungen in Betriebsgrößen der heimischen Industrie auch der Gesamtmarkt in Deutschland positiv entwickelt hat zeigen die Zahlen des Handelsverband Juweliere (BVJ), die am heutigen Tag im Rahmen der Inhorgenta veröffentlicht wurden. Demnach hat sich der Gesamtmarkt für Schmuck und Uhren in Deutschland im Jahr 2022 stark entwickelt. Der Umsatz stieg in 2022 um 21,2 % auf € 5,3 Mrd. Das Umsatzvolumen ist also auf einem deutlich höheren Niveau als vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 (+11%).
Fachmessen: Treibender Motor der Schmuck- und Uhrenbranche
Da Corona das Messegeschäft ab Anfang März 2020 vollständig zum Erliegen gebracht hat und es im Jahr 2022 noch mit dem ein oder anderen Stolperstein zu kämpfen hatte, hofft die Industrie auf eine Anknüpfung des für die Branche so wichtigen Messegeschäftes an die Zeiten vor dem Jahr 2020. Die Präferenzen der Mitglieder des BVSU sind dabei europäisch. Die beliebteste Messe der Verbandsmitglieder ist laut Befragung die Vicenzaoro im Januar, gefolgt von der Inhorgenta Munich. Äußerst positiv ist zu beobachten, dass auch italienische und andere europäische Aussteller mehr und mehr Interesse an der deutschen Leitmesse in München bekommen, was sich an dem vergrößerten Angebot in der Schmuckhalle B1 und den französischen und Schweizer Gemeinschaftsständen in der Uhrenhalle A1 leicht ablesen lässt. Diesen Trend gilt es zu nutzen und auszubauen.
Das Jahr 2023: Die Chancen in unserer Branche gilt es zu nutzen
Die Bewertung des Ausblicks auf 2023 fällt vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung zurückhaltend aus. Einerseits zeichnet sich eine endgültige Entspannung mit Blick auf die Corona- Pandemie ab, so dass aller Voraussicht nach eine alltägliche Normalität möglich sein wird. Damit dürfte es zu einer weiteren spürbaren Belebung des öffentlichen wie auch des privaten Lebens kommen, was der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung zuträglich sein dürfte. Andererseits gibt es mit dem Krieg in der Ukraine einen signifikanten Unsicherheitsfaktor. Die wirtschaftlichen Folgen sind nicht abschätzbar. Die Angst um weitere Preissteigerungen bei den Energieträgern Gas und Öl ist alles andere als gebannt. Zudem können sich die bereits seit dem Jahr 2021 spürbaren Liefer- und Materialengpässe infolge des Krieges ausweiten. Sanktionen für russische Unternehmen, die in den Bereichen Edelmetalle und Edelsteine aktiv sind machen sich in unsere Branche durch Preiskapriolen und Lieferengpässe noch zusätzlich bemerkbar. Hinzu kommt, dass vor allem der Fachkräftemangel auch 2023 die wirtschaftliche Entwicklung bremsen könnte. Darüber hinaus ist mit einer weiteren deutlichen Steigerung des allgemeinen Preisniveaus zu rechnen, was Auswirkungen auf den Konsum haben wird.
Angesichts der zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Berichts erkennbaren Risiken erscheint eine Konsolidierung des bis heute starken Marktes alles andere als ausgeschlossen. BVSU Präsident Uwe Staib ist dennoch optimistisch: „Auch wenn Unternehmer unserer Branche angehalten sind, die weltwirtschaftliche Lage kontinuierlich zu beobachten und neu zu bewerten, ist dennoch klar, dass in Industrie und Handel im Jahr 2023 große Chancen vorhanden sind. Diese gilt es zu identifizieren und zu nutzen.“
Bundesverband Schmuck und Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien e.V.
Februar 2023