Pforzheim, 04.09.2024. Der Bundesverband Schmuck, Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien e.V. (BVSU) lud am gestrigen Tag zum Sustainable Jewellery Day, einer internationalen Tagung, die am 3. September 2024 zum ersten Mal in Pforzheim stattgefunden hat. Aktuelle Themen der Nachhaltigkeit in der Schmuckindustrie wurden mit Experten der Branche diskutiert.
Die Jahre nach der Covid-Pandemie bringen zum Teil große Veränderungen für die Schmuck- und Uhrenbranche in Deutschland und Europa. Nachhaltigkeit ist das bestimmende Thema der Industrie. Bei der Diskussion um den nachhaltigen Umgang mit Edelmetallen, Innovationen wie synthetischen Diamanten u.a. treffen zum Teil sehr konträre Meinungen aufeinander. Auch verändern die aktuellen Kriege in der Welt nicht nur die Möglichkeiten des Vertriebs in einer globalisierten Wirtschaft. Auch Entwicklungen wie die Sanktionen der G7-Staaten gegen russische Diamanten haben das Potential, einen ganzen Branchenzweig auf der Seite der Beschaffung zu verändern.
Der Vormittag des Sustainable Jewellery Days stand ganz im Zeichen der Beschaffung und des Umgangs mit Edelmetallen. Zunächst berichtete Dr. Michael Huber von der AGOSI AG aus Pforzheim für die Fachvereinigung Edelmetalle über die Einstufung von Silber in der EU-Chemikalienverordnung REACH. Im Jahr 2019 wurde für Silber in seinen verschiedenen metallischen Formen ein Vorschlag zur gefahrstoffrechtlichen Einstufung bei der Europäischen Chemikalienbehörde ECHA eingereicht. Dem Antrag entsprechend hätte das erhebliche Auswirkungen darauf haben können, ob und wie die Industrie in Zukunft Silber verarbeiten und an Verbraucher verkaufen kann. Huber machte deutlich, dass es nach der erfolgten Einstufung keine negativen Konsequenzen für Erzeugnisse wie Schmuck und Uhren geben wird, jedoch im Bereich der Verarbeitung und dem Handel mit dem Metall in Zukunft gewisse Sicherheitshinweise notwendig sind.
Im Anschluss berichtete Desirée Binternagel über die Benefits und Herausforderungen bei der Einführung von Fairtrade Gold in bestehende Produktionsprozesse. Dabei gab Binternagel, Geschäftsführerin der Fairever GmbH aus Leipzig, einen Überblick zum wichtigsten Siegel für faires Gold aus verantwortungsvollem Kleinbergbau, mit aktuellen Eindrücken aus fair arbeitenden Goldminen in Peru und Kolumbien. Gemeinsam mit der Schmuckgießerei Kalman Hafner aus Pforzheim bietet man seit ca. einem Jahr fair gehandeltes Gold aus zertifizierten Minen auch für die industrielle Schmuckproduktion an.
Eduard Stefanescu, Sustainability Manager bei der Scheideanstalt C.Hafner aus Wimsheim stellte sich anschließend der Frage zur genauen Bedeutung von Recycling-Gold. Dieser Begriff wird seit einiger Zeit in verschiedenen Gremien und Brancheninitiativen diskutiert. Eine internationale ISO-Norm zu diesem Thema ist im Entstehungsprozess und es stellt sich heraus, dass eine klare Darlegung dieses Begriffes auch für langjährige Branchenzugehörige nicht trivial ist. Unterschiedliche Positionen, begründet in verschiedenen Positionen in der Lieferkette machen ein „common understanding“ schwierig, jedoch nicht unmöglich.
Eduard Stefanescu und Desirée Binternagel diskutierten im Anschluss mit BVSU-Hauptgeschäftsführer Guido Grohmann über die verschiedenen Wege zu nachhaltigem Schmuck bei der Verwendung von Edelmetallen. Deutlich gemacht wurde, dass die Branche eine Verantwortung hat bei der Förderung von Gold, insbesondere im Kleinbergbau, genau hinzuschauen und nachhaltige Initiativen zum Wohl der dort beschäftigten Menschen und der Umwelt zu unterstützen. Auch für recyceltes Gold besteht die Verantwortung, bei der Definition dessen, was beim Recycling in den Prozess einfließen darf, als deutsche Schmuck-, Uhren- und Edelmetallbranche eine Vorbildrolle zu übernehmen. „Recyceltes Gold ist wie kein anderer Produktionsfaktor existenzieller Bestandteil der DNA der Pforzheimer und deutschen Schmuckindustrie“, so Guido Grohmann.
Nach der Mittagspause richteten sich die Blicke der Tagungsteilnehmer auf andere Themen der Nachhaltigkeit. Den Anfang machte Torsten Ratzlaff, der mit seinem Unternehmen Freeze Carbon aus Frankfurt a.M. andere Unternehmen dabei unterstützt, Netto-Null Emissionen zu erreichen. Er berichtete den Teilnehmern, wie eine CO₂-Bilanz aufgestellt wird, woher man die Daten dafür bekommt, wie eine Reduktion umgesetzt werden kann und welche Kriterien bei der Auswahl von CO2-Zertifikaten gelten, sollte man sich für die Kompensation seiner Emissionen über solche Zertifikate entscheiden.
Danach widmete sich die Tagung einem weiteren wichtigen Rohstoff in der Schmuckproduktion: Diamanten. Wie dabei in Zukunft die Rückverfolgung von Diamanten vom Ring am Finger zurück bis zur Mine funktionieren kann, berichtete Jason McIntosh, Chief Product Officer bei Tracr, einer Tochterfirma des Diamantförderers DeBeers. Auch vor dem Hintergrund der Sanktionen der G7-Staaten gegen russische Diamanten rückt die Blockchain-Technologie immer mehr in den Vordergrund der Betrachtung von Lieferketten in der Edelsteinindustrie. Wie die Zukunft aussehen kann, zeigte McIntosh eindrücklich anhand der eigens entwickelten Software.
Über die verschiedenen Gesetzesinitiativen der Europäischen Union zum Kampf gegen Greenwasching berichtete im Anschluss Raluca Anghel, die viele Jahre für die EU-Kommission tätig war und heute für das Natural Diamond Council arbeitet, den Verband der diamantfördernden Unternehmen. Anghel zeigte lebhaft an Beispielen von Werbekampagnen des Natural Diamond Councils, wie Nachhaltigkeit im Marketing angesprochen werden kann, ohne das dabei die Gefahr des Greenwashings besteht.
Den krönenden Abschluss des Tages gestaltete Dr. Tom Stephan, Geschäftsführer und Ausbildungsleiter der Deutschen Gemmologischen Gesellschaft mit Sitz in Idar-Oberstein. Er machte deutlich, dass ein genauer Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede von natürlichen und synthetischen Diamanten lohnenswert ist, um gegenüber dem Verbraucher die Gefahr eines Greenwashings zu vermeiden. Anschaulich berichtete er über die Fortschritte in der Herstellung von synthetischen Diamanten und ihre enorme technische Bedeutung. Da synthetische Diamanten unter strikt kontrollierten Bedingungen hergestellt werden, haben sie als industriell hergestelltes Massenprodukt bedeutende Vorteile gegenüber dem natürlichen Pendant in Bezug auf Preis und Verfügbarkeit. Auf dem Weg Richtung Halbleiterindustrie, Medizintechnik und anderen Geschäftsfeldern scheint die Schmuckindustrie dabei nur eine Art Zwischenstation zu sein.
Begleitet wurde der Sustainable Jewellery Day von Ausstellungen des Responsible Jewellery Councils sowie der in Pforzheim ansässigen Firma A.Gul KG. Die Branchenmesse Inhorgenta Munich sowie die Mannheimer Versicherung unterstützten die Veranstaltung als Fördermitglieder des Verbandes.
Nach einem langen Tag, gespickt mit Vorträgen und Diskussionen, ließen Referenten und Teilnehmer die Ereignisse und Erkenntnisse des Tages bei einem Glas Sekt in den Ausstellungsräumen der Deutschen Schmuck und Uhren GmbH in den Schmuckwelten ausklingen. DSU-Geschäftsführerin Christine Köhle-Wichmann brachte den Gästen die Historie der DSU als Nachfolgerin der Ständigen Musterausstellung Pforzheim nahe.
Der Bundesverband zog ein positives Fazit zur Veranstaltung. Guido Grohmann: „Wir haben einen langen und ereignisreichen Tag erlebt, mit wichtigen Informationen und zum Teil kontroversen Diskussionen. So entstehen Impulse für die Zukunft und wir sind mit dem Ergebnis unseres ersten Sustainable Jewellery Days voll und ganz zufrieden. Auf Wunsch vieler Teilnehmer können wir schon jetzt mit Sicherheit sagen, dass wir das Tagungsformat fortsetzen werden.“
Die Tagung des BVSU fand in diesem Jahr im Rahmenprogramm „Ornamenta Lust“ der Ornamenta statt. Sie ist ein Kulturprogramm in Pforzheim und der Region Nordschwarzwald, das von Juli bis September 2024 stattfindet und Ausstellungen, Installationen im öffentlichen Raum und Veranstaltungen präsentiert.
Bild: Bundesverband Schmuck, Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien e.V.
Referenten (v.l.n.r.): Jason McIntosh, Thorsten Ratzlaff, Raluca Anghel, Guido Grohmann, Desirée Binternagel, Eduard Stefanescu, Michael Huber