Der Bundesverband Schmuck, Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien (BVSU) präsentiert die ersten statistischen Gesamtzahlen für das Jahr 2023. Import und Export laufen immer noch auf hohem Niveau, die prognostizierte Konsolidierung nimmt Gestalt an.
München/Pforzheim, 16.02.2024. Das Wort „Stagnation“ beschrieb für weite Teile des Jahres 2023 die Lage der deutschen Gesamtwirtschaft recht treffend. Zum Jahresende ist sie dann tatsächlich geschrumpft. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts verzeichnete das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal preis-, saison- und kalenderbereinigt einen Rückgang um 0,3 % verglichen mit dem Vorquartal. Gegenüber dem vierten Quartal 2022 beträgt der Rückgang 0,2 %. In den beiden vorangegangenen Quartalen hatte die Wirtschaftsleistung noch stagniert. Im Gesamtjahr 2023 gab das Bruttoinlandsprodukt damit um 0,3 % nach. In nahezu allen Wirtschaftsbereichen klagten die Unternehmen über eine sinkende Nachfrage. Im Kampf gegen die Inflation haben die Notenbanken in Europa und Nordamerika ihre Leitzinsen kräftig angehoben, was derzeit seine Wirkung entfaltet. Zusätzlich wird die Wirtschaft durch eine Reihe von Sonderfaktoren belastet. Hierzu gehören z. B. ein hoher Krankenstand gegen Ende des Jahres sowie diverse Arbeitskampfaktivitäten in Deutschland.
Die Unternehmen der Schmuck- und Uhrenbranche haben dennoch ihre starke Position behauptet, auch wenn die Zahlen im zweiten Halbjahr des Jahres 2023 schwächer wurden. Für das Gesamtjahr 2023 kann man mit der Geschäftsentwicklung leben, denn eine Wiederholung des außergewöhnlichen Jahres 2022 war nicht zu erwarten gewesen. Dennoch trübt die vom Verband bereits im Vorfeld prognostizierte Konsolidierung die Stimmung in der Branche. „Der Höhenflug des Jahres 2022 ist vorerst gestoppt und wir blicken mit ein wenig Sorge auf das kommende Jahr“, so BVSU-Präsident Uwe Staib. „Jedoch können wir für das Jahr 2023 vor dem Hintergrund der internationalen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen mit dem Ergebnis im Vergleich zu den Jahren vor 2022 zufrieden sein.“
Das Jahr 2023 in Zahlen
Pünktlich zur Inhorgenta veröffentlichte das statistische Bundesamt die von ihm erhobenen vorläufigen Zahlen. Der Export der deutschen Uhrenindustrie fiel mit ca. 1,698 Milliarden Euro um 0,93 % geringer aus gegenüber den Zahlen von 2022 (1,714 Milliarden Euro). Bei letzterem Wert ist zu berücksichtigen, dass sämtliche Betriebe der Branche unabhängig von ihrer Größe erfasst werden, wenn sie eine jährliche Berichtsgrenze von 500.000 Euro übersteigen. Der Import von Uhren fiel um 5,62 % von 2,539 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf 2,396 Milliarden Euro im Jahr 2023. Die Einfuhr von Uhrwerken steigerte sich erneut um 3,48 % von 34 auf 35 Millionen Euro.
Betrachtet man die Exporte und Importe im Jahr 2023 quartalsweise, so zeigt sich, dass die Exporte bei den Uhren im ersten und vierten Quartal leicht über dem Vorjahr lagen, in den mittleren Quartalen zwei und drei jedoch unter den Zahlen von 2022.
Abbildung 1: Exporte Uhren nach Quartal, Jahre 2020 bis 2023 (Quelle: Statistisches Bundesamt)
Bei den Importen von Uhrenprodukten nach Deutschland konnten nur im ersten Quartal des Jahres 2023 die Vorjahresbestmarken erreicht werden. Im vierten Quartal sank der Import deutlich gegenüber dem Vorjahr um 13 % auf rund 639 Millionen Euro.
Abbildung 2: Importe Uhren nach Quartal, Jahre 2020 bis 2023 (Quelle: Statistisches Bundesamt)
Der Export der Produzenten von Schmuck, Gold- und Silberschmiedewaren fiel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,98 % von ca. 3,022 Milliarden Euro auf 2,932 Milliarden Euro. Auch hier gilt die Berichtsgrenze von € 500.000, unabhängig von der individuellen Betriebsgröße. Der Import von Schmuckprodukten fiel um 6,57 % von 2,359 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf 2,204 Milliarden Euro im Jahr 2023.
Auch beim Schmuck bringt der Blick auf die Exporte und Importe in den einzelnen Quartalen ein differenziertes Bild. Im Export lieferte das erste Quartal ein deutlich positives Ergebnis gegenüber dem Vorjahr, alle drei folgenden Quartale fielen dann im Vorjahresvergleich leicht ab.
Abbildung 3: Exporte Schmuck nach Quartal, Jahre 2020 bis 2023 (Quelle: Statistisches Bundesamt)
Beim Import von Schmuck lagen alle vier Quartale des Jahres 2023 unterhalb der Vorjahreszahlen. Während der Rückgang im dritten Quartal etwas deutlicher ausfiel, waren die niedrigeren Zahlen in den übrigen Quartalen moderat.
Abbildung 4: Importe Schmuck nach Quartal, Jahre 2020 bis 2023 (Quelle: Statistisches Bundesamt)
Für die Bewertung der wirtschaftlichen Situation ist für den BVSU auch die halbjährliche, interne Befragung der Mitgliedsunternehmen von wichtiger Aussagekraft. So zeigt sich u.a., dass rund 18 % der kleineren Mitgliedsfirmen von einem Umsatzrückgang von mehr als 10 % gegenüber dem Vorjahr berichten, mehr als 27 % von einem zwischen 5-10 % liegenden Umsatzrückgang. Bei rund 9 % war der Umsatz gleich gegenüber dem Vorjahr, weitere 27 % hatten eine Umsatzsteigerung von 5 bis 10 %, 18 % berichteten von 10 % oder mehr Umsatzsteigerung. Als Gründe für diese sehr volatile Gesamtaussage führen 42 % den Verlust oder Zugewinn wichtiger Märkte an, ebenfalls 42 % die hohen Edelmetallkurse und ca. 17 % andere Gründe. Bei der Umsatzerwartung für das Jahr 2024 rechnen 60 % der Kleinbetriebe mit gleichbleibenden Zahlen, 40 % rechnen mit einer ungünstigeren Umsatzentwicklung im Jahr 2024.
Etwas anders sieht die Auswertung bei den Betrieben über 20 Mitarbeitern aus. Hier vermelden nur rund 7 % der Unternehmen für 2023 einen Umsatzzuwachs von mehr als 10 %, rund 13 % melden einen Umsatzzuwachs von 5 bis 10 %, bei 40 % blieb es gleich, 20 % vermelden einen Umsatzrückgang von 5-10 %, bei ebenfalls 20 % der Unternehmen war dieser im Bereich vom mehr als 10 % angesiedelt. Was die Umsatzerwartungen im Jahr 2024 anbelangt, so rechnen die größeren Firmen zu 8 % mit einer günstigeren Entwicklung, 50 % mit einer gleichbleibenden und 42 % mit einer ungünstigeren Tendenz.
Die starke Divergenz in allen Betriebsgrößen, die zu gleichen Teilen von mehr oder weniger Umsatzerwartung berichten, untermauert zwei Tendenzen ganz deutlich. Zum einen fehlt aufgrund der globalen Entwicklungen und des innerdeutschen Schlingerkurses der Politik Planungssicherheit, welches das Stimmungsbild verschlechtert. Zum anderen zeigen die tatsächlichen Zahlen, dass die allgemeine Stimmung in der deutschen Schmuck- und Uhrenindustrie zum Teil deutlich schlechter ist als das erzielte Gesamtergebnis. Denn statistisch blieb das Jahr 2023 noch einigermaßen auf dem Rekordhoch des Vorjahres, wie die oben genannten Zahlen des statistischen Bundesamtes eindeutig belegen. Das anhaltende Rekordniveau zeigt sich auch in den Zahlen des Handelsverband Juweliere (BVJ), die am heutigen Tag im Rahmen der Inhorgenta veröffentlicht wurden. Demnach hält der Gesamtmarkt für Schmuck und Uhren in Deutschland im Jahr 2023 das starke Niveau des Vorjahres. Der Umsatz stieg im Jahr 2023 um 0,3 % auf 5,32 Milliarden Euro. Der Anteil des Schmucks wird dabei auf 4,07 Milliarden Euro bemessen (+ 0,1 %), der Anteil der Uhren beträgt 1,25 Milliarden Euro (+ 1,0 %). Das Plus im Handel steht einem leichten Minus in der Industrie entgegen, was auf einen moderaten Lagerabbau im Handel hinweist.
50 Jahre Inhorgenta: Auftakt in das Messejahr 2024
Das Jahr 2023 hat im Nachgang zu den hohen Wellen der Covid-Pandemie gezeigt, wie unverzichtbar physische Fachmessen für unsere Branche sind. Auch wenn noch nicht alle globalen Teilmärkte wieder vollständig an die Zeit vor Corona anknüpfen konnten, so konnte man doch den weltweiten Zuspruch der Branchenteilnehmer gegenüber den Fachmessen spüren. Im Jahr 2024 startet das Messejahr mit dem 50-jährigen Jubiläum der deutschen Leitmesse Inhorgenta. Neben der Neugier auf das aufwendig gestaltete Rahmenprogramm zum Jubiläum interessiert die Industrie insbesondere, wie die teilweise Umstrukturierung der Hallen von den Besuchern angenommen wird. Die Vorfreude ist groß und wir erwarten eine richtungsweisende Veranstaltung im positiven Sinne. Die getroffenen strategischen Entscheidungen werden auch dabei helfen, die Internationalisierung der Messe für die Zukunft voranzutreiben.
Das Jahr 2024: Unstete Politik, Umsetzung der Diamantsanktionen
Die Bewertung des Ausblicks auf 2024 fällt vor dem Hintergrund aktueller Entwicklung verhalten aus. Der Krieg in der Ukraine, die anhaltenden Kämpfe in Gaza sowie die Unzufriedenheit im eigenen Land über den Selbstfindungsprozess der Regierung trüben die Aussichten auf ein sorgenfreies und wirtschaftlich erfolgreiches Jahr. Hinzu kommen branchenintern einige Hürden, die es zu meistern gilt. Allen voran sind hier die Sanktionen der G7 gegen russische Diamanten zu nennen. Neben bürokratischen Hürden sind aufgrund der bisher unklaren Umsetzung der Maßnahmen Umsatzeinbußen zu befürchten. Der aktuelle Plan der Sanktionen wird den russischen Diamanthandel nicht effektiv treffen können, soweit sind sich Branchenexperten weltweit einig. Die Summe der Einnahmen Russlands aus dem Diamanthandel wird von der EU auf 4 Mrd. Euro geschätzt. Diese Summe ist aus Sicht von Branchenexperten um mindestens 50% zu hoch. Da die Sanktionen der EU und der G7 in der Endausbaustufe nur für Ware ab 0,5 Karat gelten werden und der russische Konzern ALROSA insbesondere für seine Kleinware bekannt ist, werden die Sanktionen nur einen Bruchteil des russischen Fördervolumens treffen. BVSU-Hauptgeschäftsführer Guido Grohmann bewertet die Situation wie folgt: „Der Schaden für unsere Industrie wird deutlich größer sein als für den russischen Diamanthandel. Das wenige, was wir zu den Umsetzungsvorhaben wissen, lässt befürchten, dass die wirklich Betroffenen von den Sanktionen nicht in Russland sitzen, sondern an den Minen in Afrika und bei den Schleifern und Händlern in Indien und anderen Plätzen der Welt. Wir fürchten einen Preisanstieg aufgrund stark erhöhter Kosten in der Lieferkette, vor allem für die nicht russischen Diamanten.“ In einer globalisierten Wirtschaft werden die Sanktionen deshalb auch in zweiter Instanz der gesamten Schmuck- und Uhrenindustrie in den G7-Staaten schaden und dieser gegenüber dem weltweiten Wettbewerb einen Nachteil einhandeln.